8. Prozesstag, 24.5.2013

Überlegungen der Vorsitzenden Richterin Lätzel in Richtung Einstellung; Anhörung des Sachverständigen Kamaroff

In dieser recht kurzen Sitzung trägt die Vorsitzende Richterin vor: Der Prozess gehe ja erst im Juni weiter. Die Richterin hat daher alle Beteiligten dazu aufgefordert, sich Gedanken über zwei Dinge zu machen, nachdem man die Beweisaufnahme vor dem inneren Auge nochmal Revue passieren lassen hat.

1) Es soll sich die Frage gestellt werden, ob der Vorwurf der “gefährlichen Körperverletzung mit Todesfolge” noch aufrechterhalten werden könne. Es liege für die zweite Phase des Tathergangs (also wo der Notarzt da war) möglicherweise ein “Erlaubnistatbestandsirrtum” vor (wenn ich das richtig verstanden habe; ist das wohl eine verklausulierte Weise von Verantwortungsdiffusion zu sprechen?) Die Richterin selbst hegt hier entsprechende Zweifel.Einen Freispruch hält sie aber auch nicht für geboten, weil der Tatbestand einer fahrlässigen Tötung in Betracht gezogen werden müsse.

2) Es soll sich die Frage gestellt werden, ob ein Urteil gefällt werden soll oder ob das Verfahren eingestellt werden solle.
Der Richterin zufolge gebe es “Sachgründe” für die Einstellung, die umfassen:

– es sei sachgemäß, den Angeklagten von dem bereits 9 Jahre währenden Druck zu befreien
– Er könne außerdem wieder als Arzt arbeiten
– eine Wiederholung der Tat könne ausgeschlossen werden, weil Kotzbehandlung mittlerweile illegal
– das Handeln des Angeklagten könne überdies auch als “unglücklich” beschreiben werden

Am 14/06 sollen diese Fragen in der Gerichtsverhandlung diskutiert werden! Die Richterin gibt außerdem zu, dass ihr Vorschlag “rechtlich
nicht unproblematisch” sei, es sich aber “am Menschen”orientiere.

Das läuft also auf den Deal hinaus, der befürchtet wurde.Die Einschätzung ist hierbei, dass die Beteiligten (Maleika darf ja nicht mitentscheiden) für eine Einstellung plädieren werden.

Zuvor wurde der Sachverständigen Ulrich Kamaroff, Ingenieur für Medizintechnik vernommen, mittlerweile in Rente und nur eingeschränkt vernehmungsfähig, dies aufgrund des Erinnerungsproblems und körperlicher Leiden.
Er hatte kurz nach dem Brechmitteleinsatz die Funktionsfähigkeit des defekten Messgerätes überprüft.
Es habe sich vom Typ her um ein sehr robustes Gerät gehandelt. Es habe funktioniert und keine Funktionsstörung aufgewiesen. Aber: Der Clip zum Befestigen am Körper sei nicht da gewesen.
Warum hat das Gerät dann aber nicht funktioniert? Drei Möglichkeiten:
1) Clip ist abgerutscht oder verrutscht, niemand hat es bemerkt
2) Das Kabel sei abgegangen
3) Der Clip sei zerstört worden
Der Speicher sei gelöscht gewesen. Hier gebe es drei Möglichkeiten, wie dies passiert sein könnte:
1) Mutwillig. Das müsse man aber können, Ärzte seien i.d.R. nicht dazu in der Lage, weil sich die Spezies Arzt im Allgemeinen nicht für die Funktionsweise technischer Apparaturen interessiere
2) Akkuentleerung in der „Aservatenkammer“
3) Bei dem Gerät würde Vitaldaten automatisch nach 24 h gelöscht (nicht jedoch Daten wie Zimmerbelegung etc., die bei Herrn Condé aber nicht erfasst wurden seien
Richterin: Die Sauerstoffanzeige sei unterschiedlich gewesen, wie sei das möglich?
Vermutung:
1) Clip hat nicht zur Anzeige gepasst (falscher Clip)
2) Gerät oder Clip seien verschmutzt und/oder feucht
3) Gliedmaße mit Clip dran wurde abgeschnürt
4) Es wurde falsch abgelesen (etwa statt 27: 77)
Der Alarm sei eingeschaltet gewesen (bei 75%) und habe zuverlässig funktioniert

Letztlich hat Kamaroff aber nur vage Andeutungen machen können. Keine seiner Vermutungen kann zum jetzigen Zeitpunkt noch überprüft werden (da hätte die Staatanwaltschaft sehr viel früher aktiv werden müssen). Er selbst hat Erinnerungsschwierigkeiten.

X Entschädigung für alle Betroffenen von Brechmittelfolter