Brechmittelfolter 1991 – 2006

  • 1991 In Bremen spritzt der Polizeiarzt Männche ohne offiziellen Auftrag in Eigenregie Betroffenen zum ersten Mal Brechmittel.
  • 1992 Die Brechmittelvergabe wird durch die Bremer Ampelkoalition (SPD, FDP, Grüne) institutionalisiert. In den kommenden drei Jahren werden über 400 Mal Brechmittel an Betroffene verabreicht.
  • 1995 Abu Bakah Jalloh aus Wuppertal wehrt sich mit einer Beschwerde juristisch gegen die an ihm verübte zwangsweise Brechmittelvergabe.
  • 1995 Das Anti-Rassismus-Büros Bremen (ARAB) schreibt einen Offenen Brief an Justizsenator Scherf mit der Forderung, die Praxis zu stoppen, und dokumentiert Berichte von Betroffene in der Broschüre »Polizisten, die zum Brechen reizen«. Gegen zwei Mitarbeiter*innen des ARAB wird daraufhin wegen „Volksverhetzung“ ermittelt, die Broschüre wird im Rahmen einer Hausdurchsuchung beschlagnahmt.
  • 1991-1995 Das ARAB gegen stellt gut ein Dutzend Strafanzeigen gegen Beteiligte des Systems Brechmittel. Alle Ermittlungsverfahren werden von der Staatsanwaltschaft eingestellt.
  • 1995 Oberstaatsanwalt Frischmuth erklärt die Brechmittelvergabepraxis – trotz kritischer Stimmen von Ärzt*innen und Betroffenen – für legitim und ordnet deren Fortsetzung an.
  • 1996 Die Bremer Ärztekammer erklärt die Vergabe von Brechmitteln schlussendlich für „vereinbar mit dem ärztlichen Berufsethos“.
  • 1996 Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main  entscheidet, dass der Einsatz von Brechmitteln zur Beweissicherung rechtswidrig ist, denn er geschehe „gänzlich ohne gesetzliche Grundlage“ und sei durch die Strafprozessordnung nicht gedeckt.
  • 1999 Abu Bakah Jalloh legt Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein. Das BVerfG lehnt die Annahme der Beschwerde aus formalen Gründen ab und führt aus, dass Brechmitteleinsätzen „in Hinblick auf die Menschenwürde […] keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken“ entgegenstünden. Das BVerfG äußert sich explizit nicht dazu, „inwieweit eine zwangsweise Verabreichung mit Blick auf den Schutz der körperlichen Unversehrtheit und auf die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs zulässig ist“.
  • 2000 Herr Jalloh wendet sich mit einer Individualbeschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)
  • 2001 Achidi John wird am 12. Dezember in Hamburg bei einer zwangsweisen Brechmittelvergabe getötet. Einen Tag später stellt das BVerfG in einer Pressemitteilung  klar, dass es – entgegen anders lautenden Presseberichten – 1999 nicht die Verfassungskonformität der zwangsweisen Brechmittelvergabe festgestellt habe.
  • 2001 Am 13. Dezember stellt die Fraktion der Grünen in der Bremer Bürgerschaft den Antrag, die Praxis der Brechmittelvergabe sofort zu beenden. SPD, CDU und DVU lehnen ab. Die zwangsweise Brechmittelvergabe wird fortgesetzt.
  • 2005 Bis zu diesem Jahr werden in Bremen insgesamt über 1.000 Brechmitteleinsätze durchgeführt. Bremen ist der Geburtsort und die Hauptstadt der Brechmittelfolter.
  • 2005 Laye Alama Condé stirbt in Bremen an den Folgen eines Brechmitteleinsatzes unter Zwang. Die Bürgerschaft setzt die Brechmittelvergabe aus.
  • 2006 Der EGMR gibt der Beschwerde von Herrn Jalloh (11 Jahre nach seiner ersten Beschwerde) statt und stellt fest: Die Brechmittelvergabe ist unmenschlich und erniedrigend, sie verstößt gegen das Folterverbot.
X Entschädigung für alle Betroffenen von Brechmittelfolter